Lüneburger Kaserne mit eigener “Zwergenstube“: Dafür haben die Soldaten sogar Minigarderoben geschreinert. Von 6 Uhr morgens bis manchmal 18 Uhr abends können die Soldaten in Haus 19 ihre Sprösslinge abgeben,

Lüneburg. Die Kinderbetreuung beginnt morgens um 6 Uhr: Was Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) plant, um die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver zu machen, läuft in der Theodor-Körner-Kaserne schon seit Herbst. Die Soldaten haben ihre eigene Lösung für die Vereinbarkeit von Dienst und Familie entwickelt. Hinter dem Wachtor gleich links geht’s zu „Theos Zwergenstube“, der kaserneneigenen Kita.

Korrekt gesprochen Großtagespflegestelle. Denn eine echte Kindertagesstätte aufzumachen, war für die Soldaten nicht möglich: Sie wären dann Arbeitgeber geworden, zudem fungieren sie quasi selbst nur als Mieter der Kaserne und können nicht externen Privatpersonen einfach so Räumlichkeiten vermieten. Wohl aber Vereinen: Kurzerhand gründeten die Soldaten daher einen Förderverein, der Standortälteste Tim Grünewald, 43, wurde der Erste Vorsitzende, und seit Anfang dieses Jahres ist der Verein ganz offiziell Mieter der Kaserne.

Die ersten Gedanken zu einer Bundeswehr-Kita kamen Tim Grünewald schon vor fünf Jahren, doch die Bürokratie hat das Projekt verzögert – bis Herbst vergangenen Jahres, da brachten die ersten Eltern ihren Nachwuchs in die „Zwergenstube“. „Der Bedarf hat die Idee geboren“, sagt Grünewald, Kommandeur des 560 Männer und Frauen starken Aufklärungslehrbataillons 3 Lüneburg. Die Soldaten fahren zu Einsätzen nach Afghanistan, in den Kosovo und nach Mali. „Soldaten bekommen Dienst und Familie nur sehr schwer unter einen Hut.“

Im Schnitt alle anderthalb Jahre ist Grünewald vor seinem Antritt in Lüneburg versetzt worden, je nach Dienstgrad liegt der Durchschnitt für einen Ortswechsel bei Soldaten bei 1,5 bis drei Jahren. Das macht die Suche nach einem Betreuungsplatz für den Nachwuchs noch schwieriger als bei anderen Berufstätigen. Lange auf einen freien Platz zu warten ist bei Soldaten einfach nicht drin: Haben sie endlich einen, ziehen sie vielleicht schon wieder um.

Auch mit den Schuljahren stimmen die Versetzungszeiten niemals überein – anders als in Norwegen, wie Tim Grünewald selbst erlebt hat. „Dort sind Versetzungen und Schuljahre komplett synchronisiert.“ Ein Schritt, den er sich auch für Deutschland vorstellen könnte. „Auch in diesem Bereich muss etwas passieren, der Bedarf ist riesig.“

Für die Zukunft wünschen sich die Lüneburger Vorreiter, dass die Kinderbetreuung bei der Bundeswehr zu einer dienstlichen Notwendigkeit wird – und hoffen dabei auf den neuen Wind aus dem Ministerium. „Wir brauchen eine Vorschrift, die sagt: Kinderbetreuung soll von Dienst wegen stattfinden“, fordert Oberleutnant Armin Riedel, 42, für Pressefragen im Bataillon zuständig. „Erst dann können wir auch Geld bekommen, zum Beispiel um Spielgeräte anzuschaffen.“

Dafür haben die Soldaten in Eigenleistung gesorgt: nach Dienstschluss Wände gestrichen und eine Kindergarderobe geschreinert. Möbel und Spielsachen kamen über Spenden zusammen, bei der Weihnachtstombola sammelten sie für einen Bollerwagen.

Wer die Tür von Haus 19 der Kaserne öffnet, findet im Flur keine Fahnen oder Flaggen – sondern kleine Schuhe, Mützen und Jacken, dahinter gelbe Wände, eine Spielküche, einen Straßenteppich und einen Maltisch. Und hört fröhliches Lachen. Elisa Dornbusch, 25, selbst mit einem Soldaten verheiratet, und ihre Kollegin Ellen Schneider, 38, sind froh über die Möglichkeiten in der Kaserne. „Das ist schon etwas Besonderes hier“, sagt Ellen Schneider. „Ein tolles Modell. Eine Großtagespflege wie diese wäre für uns ohne die Unterstützung der Soldaten gar nicht möglich gewesen, weil nicht zu finanzieren.“

Von 6 Uhr morgens bis manchmal 18 Uhr abends können die Soldaten in Haus 19 ihre Sprösslinge abgeben, eine große Flexibilität ist für die Tagesmütter selbstverständlich. Vier Kleinkinder zwischen zehn und 18 Monaten betreuen die Erzieherinnen derzeit, ab Mai werden es zehn sein. Und der Bedarf ist sogar noch höher: Schon jetzt zählt die Warteliste vier Kinder. Hat sich das Angebot erst weiter herumgesprochen, dürften es weit mehr werden.

„Das Angebot entlastet die Familien unheimlich“, sagt Armin Riedel. „Oft sind mittlerweile Mutter und Vater Soldaten und haben ihren Dienstbeginn um 7 Uhr. Gleitzeit gibt es bislang überhaupt nicht, die Arbeitszeiten sind sehr starr. Auch das wäre ein Ansatz, um etwas flexibler zu werden.“

Mit 9000 Männern und Frauen in vier Kasernen war die Bundeswehr bis 1990 in Lüneburg präsent, heute sind es etwa 1000 in einer einzigen. Bis 2015 sollen nur 710 Dienstposten übrig bleiben. Jetzt zählen die Lüneburger zu den ersten Kasernen im gesamten Bundesgebiet, die eine eigene Kinderbetreuung anbieten. Gefragt nach den künftigen Reformen sowie der Suche nach klugen Köpfen für die Bundeswehr, ist sich Kommandeur Tim Grünewald sicher: „So ein Angebot ist gut für die Attraktivität des Dienstes und des Standorts.“